Die geheimnisvolle Orgel von Naundorf

Gespannte Vorfreude herrscht im Forster Ortsteil Naundorf. In wenigen Tagen wird die restaurierte Kirchenorgel eingeweiht. Doch die über 150 Jahre alte Orgel hütet auch ein paar Geheimnisse, die bisher noch nicht gelüftet werden konnten.

„Mit dem Gedanken einer Restaurierung beschäftigen wir uns schon seit 12 Jahren.“, sagt Pfarrer Bodo Trummer von der evangelischen Kreuz-Kirchengemeinde Forst-Nord, zu der die Naundorfer Kirche gehört. Zuletzt klang die Orgel nicht mehr schön, „und sie wird auch nicht besser, wenn man noch länger wartet.“

Die Orgelbau Waltershausen GmbH ist mit der Restaurierung beauftragt worden. Zwischen 1850 und 1870 sei die Orgel gebaut worden, weiß Andreas Voigt. Er ist für die Thüringer Firma als Orgel- und Harmoniumbaumeister tätig und kennt sich aus. „Das geschätzte Alter der Orgel beruht auf Erfahrungswerten.“, sagt der Fachmann. Ein genaues Datum für den Bau der Orgel ist nicht bekannt. Auch der Erbauer der Orgel sei nicht zu ermitteln. „Man war sehr sparsam mit Inschriften bei dieser Orgel!“
Bekannt ist nur, dass die Orgel 1902 irgendwo im Umkreis von Minden (Westfalen) abgebaut und in Naundorf eingebaut wurde. Sie ist quasi aus zweiter Hand.

Der Zahn der Zeit nagte sehr an der Naundorfer Orgel. Viele Schäden zeigten sich erst während der Restaurierung. So sei die Windlade, das „Herz“ der Orgel mit Tonventilen und Registereinschaltungen, komplett verschlissen gewesen. Ein typisches Problem bei gespundetem Windladen, wo Quer- und Längsholz gegenteilig arbeiten. Zu DDR-Zeiten wurde außerdem die Orgel einmal komplett umgebaut und mit DDR-typischen Mechanikteilen ersetzt.

Von der Waltersdorfer Orgelbau-Firma wurde nun die Orgel in den Urzustand zurückgeführt. Dazu wurde das Instrument komplett auseinander gebaut und jedes einzelne Teil fachmännisch in den Originalzustand zurückversetzt. Nur minimal wurden einige mechanische Teile ersetzt.

Kirchenschätze wurden beim Auseinanderbau nicht gefunden, dafür einige angeklebte Zettel mit einer Aufschrift „WK“ und viele Bahnversende-Aufleimer, die die Experten aus Thüringen bisher noch nicht zuordnen konnten. Auch der Naundorfer Ortschronist Wilfried Hergesell hatte sich mehr Informationen zur Geschichte der Orgel erhofft und vor allem auf diese mysteriösen Zettel.

„Die Naundorfer Orgel ist in der Brandenburger Orgellandschaft einzigartig!“, stellt Andreas Voigt fest. Anders als in Naundorf bestimmen sonst pneumatisch betriebene Orgeln das Bild. Insgesamt beinhaltet die Naundorfer Orgel 486 Pfeifen, verteilt auf 7 Register, die über 4 Oktaven gehen. Die Töne kommen dabei u.a. aus einer Prinzipal-4-Fuß, einer Doppelflöte-8-Fuß, einer Fernflöte-8-Fuß oder einer Oktave-4-Fuß. Pedalpfeifen gibt es keine. Da eine 8-Fuß-Pfeife bei einem Fußmaß von ca. 30 cm  eine Höhe von 2,40 m haben würde, die nicht in die Naundorfer Kirche passen würden, sind die Pfeifen verkürzt, im Fach-Jargon als „gedeckt“ bezeichnet. „Das heißt, die Töne schwingen in den Pfeifen einmal nach oben und wieder zurück, wodurch sich der Schwingungsweg halbiert.“, erklärt Andreas Voigt.

Und noch eine Besonderheit ist dem Fachmann aufgefallen: „Alle Teile der Orgel sind komplett aus Eichenholz hergestellt. Normalerweise nimmt man für Gestell und auch die Bälge Nadelholz. Irgendjemand muss zur damaligen Zeit auf Eichenholz bestanden haben.“ Durch das Eichenholz wird die Orgel mit ihrem Gestell um einiges wertvoller. Welchen Wert die Naundorfer Orgel genau hat, lässt sich nicht beziffern. Außerhalb des Naundorfer Kirche wäre die Orgel sogar wertlos, weil sie genau auf die Akustik des Innenraumes abgestimmt ist.

Finanziert wurde die Restaurierung aus Eigenmittel der evangelischen Kreuz-Kirchengemeinde Forst-Nord sowie aus Spenden. Rund 60.000 Euro wird die Restaurierung kosten. Nach dem kompletten Einbau muss die Orgel noch intoniert, d.h. an den Raum angepasst werden. Erst danach gibt es die kirchenaufsichtliche Genehmigung und die Orgel kann der Kreuzkirchengemeinde Forst-Nord übergeben werden. „Neben der üblichen Garantie von 10 Jahren bei abgeschlossenem Wartungsvertrag gehen wir von einer 100jährigen Funktionsweise der restaurierten Orgel aus.“, sagt Andreas Voigt. Dann wird eine neue Generation von Orgelbauer versuchen, den Geheimnissen der Naundorfer Orgel auf die Spur zur kommen.

Die Wiederinbetriebnahme der restaurierten Orgel erfolgt am 20. Oktober ab 13:00 Uhr im Rahmen eines Dorffestes in Naundorf. Um 14:00 Uhr gibt es einen Festgottesdienst, anschließend gibt es auf dem Festplatz neben der Kirche Spiel und Spaß für alle Generationen.

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